Casus Knaxus

»kleines Blog eines Nachdenkenden«

Wie mir das Schulmuseum in Leipzig unfreiwillig etwas über Ideologie lehrte

Das Leipziger Schulmuseum thematisiert DDR und Nationalsozialismus. Wie Ideologie funktioniert, lernt man dort auch zwischen den Zeilen.

Außenansicht des Schulmuseums in Leipzig

Unfreiwillig selbst Teil seiner eigenen Ausstellung geworden: das Schulmuseum in Leipzig.

Wer schon einmal im Leipziger Schulmuseum war oder im „Stasi-Museum“ im selben Gebäude nebenan, weiß, dass es insbesondere bei letzterem etwas wild zugeht: Dem Besucher erwartet dort kein modernes Ausstellungsdesign – Alles wirkt bisweilen etwas zusammen gestellt, teils wie in der Rumpelkammer, ein bisschen wie auf dem Flohmarkt. Handgeschriebene Tafeln und schummrige Beleuchtung tun ihr Übriges. Ein solches nicht mehr zeitgemäße Ausstellungskonzept wurde auch andernorts schon bemängelt. Es liegt aber auch am Gebäude selbst, welches zur Verfügung steht.

Doch darum soll es in meinem kleinen Aufsatz nur indirekt gehen und ich komme gleich noch einmal darauf zurück. Eines schönen Tages jedenfalls war ich nämlich Gast im Schulmuseum und nahm an einer Führung teil. An der Darstellung der Ausstellung störte ich mich nicht. Es muss nicht alles geleckt und sauber und aufgeräumt sein. Ich baue mir ein Bild aus vielen Einzelteilen zusammen und kann hier filtern und Inhalte erkennen. Mir ist ein Sammelsurium sogar lieber. Ich finde es charmant. Aber man sagt mir auch nach, altmodisch zu sein.

Unserer Gruppe stellte sich ein Mitarbeiter des Museums vor, welcher uns die Räume erklärte, Hintergründe erläuterte, bestimmte Ausstellungsstücke näher heran holte, Fragen stellte und Fragen beantwortete. Das fand ich gut. Irgendwann kam mir dieser Museumsmitarbeiter aber etwas komisch vor – und zwar was dessen Sprache anbelangte:

Mir war so, als wart bei diesem Mann – wie vielleicht bei einem Roboter – ein gut funktionierendes Modul entnommen- und durch ein neumodisches ersetzt worden: Hier im Schulmuseum wird seit einiger Zeit nämlich nicht mehr von »Lehrern« gesprochen, auch nicht mehr von »Schülern«. Und man ahnt schon, was hier passiert ist: Diesem armen Stadtangestellten wurde das generische Maskulinum ausgetrieben und da stottert es und da stockt es nun im Redefluss.

Schild an einer Fassade

Tugendkitsch an der Pforte

Um jetzt noch einmal auf das anfangs angesprochene Ausstellungsdesign sprechen zu kommen: Im Leipziger Schulmuseum hat sich diesbezüglich nämlich durchaus etwas getan. Einige Wände wurden bereits neu gestaltet und beschriftet – auf Linie natürlich in Gendersprache. Daneben aber standen bei meinem Besuch noch falsch beschriftete Exponate: Das Traditionelle steht hier dem Neuen noch gegenüber, bald wird es verschwunden sein. Klassenzimmer verändern sich mit der Zeit, wie einem hier im Museum ja auf den Zeilen nahe gebracht wird. Zwischen diesen Zeilen jedoch lese ich: Museen verändern sich ebenso – das Personal natürlich auch, verblüffend schnell sogar. Es müsste ein Museum über derlei Institutionen selbst geben. Nur wer soll das leiten und bezahlen? Wer ist reich, unabhängig, neutral und vor allem: ohne Dünkel? Es möchte mir niemand einfallen.

Die Sprache – und dies lerne ich auch ganz offiziell in solchen Museen – ist immer auch Werkzeug der jeweils Machtausübenden. Unfreiwillig lehrt mich dieses Museum tatsächlich das Selbe und zwar live, gleich hier: Bestimmte Formulierungen und Worte werden antrainiert, andere sind nun verpönt. Ich ahne nun immer mehr, wie der Hase lief vor 70 Jahren und auch vor 90 in einer Stadt wie dieser – begreife nämlich, mit was für einem Personal man es seinerzeit zu tun haben musste.

Sie mögen meinen, ich übertreibe hier doch nun gewaltig. Aber wie ich ihm so zuhörte, stellte ich mir auch vor: Was wäre, wenn sich dieser Museumsführer nicht an den neuen Kodex halten würde? Wenn er einfach die Muttersprache so frei nutzen würde wie noch kurze Zeit zuvor, wie vielleicht im Privaten noch daheim?

Ich glaube, jemand in solch einer Position (Öffentlichkeitsarbeit) mit so einem gebundenen Arbeitgeber (die Stadt), muss sehr wohl darauf achten, wie er redet, was er sagt. Es würde vermutlich eine Ermahnung geben, dann wieder eine, vielleicht eine dritte noch, wenn er beliebt ist, dann die Beurlaubung und die Entlassung – wie bei unbequemen Mitarbeitern beim MDR.

Menschen an solch einem Futtertrog wissen sicherlich genau, dass hinter ihnen viele andere stehen und darauf warten, an diese Arbeitsstelle zu gelangen. Dann macht man mit. Dann redet man auch so seltsam plötzlich. So einfach ist das: Das kann ich gut nachvollziehen, wenn man Haus und Auto abbezahlen- und eine Familie ernähren muss. Mein Museumsführer ist hier bei Weitem nicht der Einzige. Er hat mir einiges aufgezeigt an diesem Nachmittag – unfreiwillig. Nur sture Pensionäre in spe mögen sich diesem Geist noch widersetzen.

Wenn man in einer Klausur Zusammenhänge entdeckt, Gemeinsamkeiten erörtert und Selbstverständliches hinterfragt, dann weist diese Arbeit eine gewisse Qualität auf – selbst wenn man sich inhaltlich irrt. Es gibt aber auch diejenigen, die stupide auswendig lernen. So war es schon immer bei den Strebern: Sie wissen zu gefallen und schreiben damit gute Noten.

veröffentlicht: 25.11.23 | letzte Änderung: 30.01.24

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Porträt des Autors dieser SeiteGuten Tag. Hier schreibt Thomas. Sie können mir via Kommentarfunktion auch Ihre Meinung zu diesem Artikel mitteilen. Ich habe diesbezüglich nichts dagegen, geduzt zu werden.

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